Spielbericht "Die Lerche von Hinterkaifeck"

Spielbericht zu: Die Lerche von Hinterkaifeck - Neuburger Volkstheater e. V.
Spielbericht "Die Lerche von Hinterkaifeck"

Ja, so könnte es sich zugetragen haben, der 6-fache Mord in Hinterkaifeck vor 100 Jahren. Das Neuburger Volkstheater hat es sich zu Aufgabe gemacht, diese Tragödie, die sich nur ca. 10 km vom Aufführungsort abgespielt hat, vor der Kulisse eines alten Hauses im Freilichtmuseum Haus im Moos auf die Bühne zu bringen. Den Stoff dazu lieferte der Roman „Lerchenstimme“ des Schweizer Autors Adolf J. Köppel. Das Stück beginnt in einem Biergarten anlässlich eines Volksfestes, bei der die Tochter des Hauses Gruber, Viktoria, der man eine Lerchenstimme nachsagt, einen Soloauftritt innerhalb des Kirchenchores hat. Dem Vater ist ihr neuer Hut ein Dorn im Auge, er zerrt sie von der Bühne und konfisziert den Hut. Das ganze Dorf bekommt den Auftritt mit.

Wir Zuschauer wandern anschließend weiter zum eigentlichen Aufführungsort. Der Öxler Hof, der dem eigentlichen Einödhof Hinterkaifeck sehr nahekommt, bildet eine einmalige Kulisse für das folgende Geschehen, wo der Streit zwischen Vater und Tochter weitergeht und mit der Vergewaltigung der Tochter und der Zerstörung des Hutes durch den Vater erstmal endet. Die Mutter versucht zu beschwichtigen ohne die Not ihrer Tochter, die vom Vater seit der Kindheit missbraucht wird, zur Kenntnis zu nehmen.  Es folgen zahlreiche Auseinandersetzungen zwischen Vater und Tochter, gewaltsame Übergriffe gegenüber Viktoria und der 8-jährigen Cilli, hitzige Diskussionen mit dem buhlenden Ortsvorsteher Lorenz Schlittenbauer und ein misslungener Versuch Viktorias, den elterlichen Hof mitsamt ihrer Kinder zu verlassen Die Wut des Vaters steigert sich so sehr, dass er im Blutrausch die ganze Familie einschließlich der beiden Kinder und der gerade angekommenen neuen Magd mit einer Reuthaue erschlägt. Durch einen unglücklichen Zufall kommt einige Tage später auch der Vater zu Tode. Anschließend folgt ein großes Aufgebot von Nachbarn, schaulustigen Dorfbewohnern, Bürgermeister, Polizei, Ermittlern und Gerichtsmedizinern, bis die Leichen mit dem Leichenwagen schlussendlich abtransportiert werden.

Das Spiel der fünf Hauptdarsteller ist unglaublich dicht und bewegend. Der einsame Auftritt von Viktoria (Ulrike Stuhlfelder bei ihrem Bühnendebüt), als sie ihren mit der Axt zerhackten Hut an sich nimmt, ihre zerrissenen Kleider richtet und sich das Blut abwischt, hinterlässt beim Zuschauer tiefe Betroffenheit. Der Vater (Sepp Reichart) wirkt in seiner cholerischen und gewalttätigen Rolle sehr glaubwürdig, die Mutter (Nicola Göbel) still und duldend und die Not ihrer Tochter missachtend verstärkt die Hilflosigkeit der Tochter. Auch die Tochter Cilli (die 21-jährige Adriana Zimmermann in ihrer ersten Hauptrolle) spielt sehr glaubwürdig. Komplementiert wird das Geschehen durch den Geliebten Viktorias, Lorenz Schlittenbauer (Martin Göbel), der an seiner Liebe zu Viktoria fast verzweifelt. Das ländliche Idyll des bäuerlichen Lebens wird versinnbildlicht durch eine friedliche Hühnerherde, die im Hintergrund ihren täglichen Bedürfnissen nachgeht, während im Vordergrund das Drama seinen Lauf nimmt. Der Auftritt er beiden Gerichtsmediziner (Michael Kettl und Quirin Vief) nach der Pause bringt bei ihrem Bemühen, die Köpfe der Verschiedenen abzuschneiden (historisch verbürgt), eine komische Komponente ins Spiel. Das Ganze endet mit der Abfahrt des Leichenwagens und einem Schlusslied aller Darsteller als Hommage an die 100 Jahre zuvor Verschiedenen.

Das dichte Spiel vor allem der Hofbewohner sowie des Geliebten von Viktoria unter der präzise geführten Regie von Oliver Vief geht unter die Haut. Kulisse, Requisiten, Kostüme sind bis ins kleinste Detail geplant und ausgeführt. Vief gelingt es, Bilder zu erschaffen, die noch Tage später im Kopf bleiben. Als Kritikpunkt ist vielleicht zu sagen, dass  eine Kürzung um eine halbe bis dreiviertel Stunde der doch sehr langen (3 ½ Stunden) Aufführung gutgetan hätte. Aber das ist vielleicht auch Geschmackssache. Als Fazit kann ich nur sagen: Hut ab vor der hervorragenden Regie und der hohen Schauspielkunst aller Darsteller!

Neuburger Volkstheater e. V.
Quelle: Inge Kuhn

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